Sonntag, 27. Mai 2007

BLOOD DIAMOND - Verfluchtes Mineral

Blood Diamond ist erschütternd und grausam. Blood Diamond ist aber auch Action und Adrenalin. Und als wenn das noch nicht reichen würde, ist Blood Diamond zu guter Letzt auch noch Romantik und Gefühl. Kurzum: Blood Diamond ist Hollywood par exellence mit einer guten Prise Sicht auf das Weltgeschehen abseits von dem, für das sich der gemeine Europäer und der landläufige US-Amerikaner sonst interessiert. Ein Spagat also, den Regisseur Edward Zwick vollführt, denn wenn die großen Film-Mogule aus Los Angeles Gelder für finanziell herausfordernde Projekte freigeben, bleibt nicht selten der Inhalt auf der Strecke. Dass in diesem Fall der Kern des Streifens zudem nicht mit Kritik an Politik und Wirtschaft spart, sollte für Aufmerksamkeit sorgen. Ein Spagat aber auch in dem Sinne, da es dem Filmemacher gelingt, die eingangs erwähnten unterschiedlichen Aspekte in knapp 140 Minuten unterzubringen.

Da wäre zunächst das dramatische Schicksal Solomon Vandys (Djimon Hounsou) und das seiner Familie, die in ihrem Heimatland Sierra Leone während des dort herrschenden Bürgerkriegs in den 90er Jahren von der "Revolutionary United Front", einer brutalen und rücksichtslosen Rebellenarmee, getrennt werden. Solomons Sohn wird zum Kindersoldaten ausgebildet, er selbst muss als Gefangener nach Diamanten suchen. Als er einen großes rosafarbenes Exemplar findet, versteckt er ihn. Unfreiwillig macht er die Bekanntschaft mit dem von Leonardo DiCaprio gespielten rhodesischen Schmuggler Danny Archer, der im Film eine Läuterung bezüglicher seiner Sichtweisen durchmachen soll. Zusammen wollen sie den versteckten Blutdiamanten finden, wodurch Solomon hofft, seine Familie zurück zu bekommen und Archer seinen Job endlich aufgeben könnte. Dabei sind sie aber auf die Hilfe der amerikanischen Journalistin Maddy Bowen (Jennifer Connelly) angewiesen, die mit Hilfe ihres Einflusses einige Türen öffnen kann. So viel zum Inhalt.

Djimon Hounsou ist der klare Star des Films. Er stiehlt dabei der gesamten Riege die Schau. Solomons Verzweiflung, sein Mut und seine Entschlossenheit sorgen für brutale Authentizität, der man sich nicht entziehen kann. Die schonungslose Darstellung des Krieges, die Ausbildung der Kindersoldaten, die barbarischen Gewalttaten der Rebellen und das fehlende Durchsetzungsvermögen der Regierung tun ihr übriges dazu, dass man schockiert vor der Mattscheibe sitzt und Zeuge unglaublicher Grausamkeiten wird. Leonardo DiCarpio spielt den ambivalenten Diamantenschmuggler ebenfalls überzeugend. Leider ist die Darstellung des Wandels vom Saulus zum Paulus nicht durchweg gelungen. Das liegt hauptsächlich an der Hollywood-typischen Umsetzung des Vorgangs, der eigentlich, so sollte man meinen, eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen und ein innerliches Ringen des Protagonisten deutlich machen müsste. Stattdessen wirkt DiCaprios Verwandlung zu konstruiert, kurz vor dem Finale büßt die Stringenz dann ein wenig ein, lässt dabei einige Fragen offen, um schlussendlich... Mehr wird nicht verraten. Am schwächsten von den drei Hauptakteuren kommt die Journalistin weg; ihre Rolle geht zwischen Solomon und Archer unter, obwohl sie einen wichtigen Part erfüllt. Im ersten Drittel des Films sind die Dialoge zwischen ihr und Danny so überflüssig wie ein Kropf und lediglich Mittel zum Zweck. Es geht darum, die Standpunkte der beiden, die unterschiedlicher nicht sein könnten, darzustellen. Das wäre vielleicht aber auch ein wenig anders gegangen, als sich andauernd am selben Strand an der selben Bar zu treffen, miteinander ins Gespräch zu kommen, um sich schlussendlich zu beschimpfen. Immerhin kommen sie sich dabei näher. Den Rest kann man sich denken, wobei man den gut und gerne hätte weglassen können. Auf platonischer Ebene wäre das auch gegangen. Aber vielleicht lechzte der Stoff des Films bei allem Mord und Totschlag, auch nur nach etwas zärtlichem Ausgleich. Zwick hält sich damit glücklicherweise zurück und driftet nicht all zu sehr in Unglaubwürdigkeiten ab. Gegensätze ziehen sich ja bekanntlich an, aber bei soviel Gegensätzlichkeit zwischen Danny Archer und Maddy Bowen, dürfte die erzählte Zeit eigentlich nicht ausreichen, um überhaupt eine Annäherung zwischen den beiden darzustellen. Geht aber dann doch irgendwie, denn Danny Archer ist eigentlich gar kein so schlechter Mensch wie es zunächst den Anschein hat.

Nichtsdestotrotz ist Blood Diamond spannend bis zur letzten Minute. Dem Regisseur gelingt es dabei, Leerlauf zu vermeiden. Im Gegenteil: Es werden große Geschütze aufgefahren, um den Zuschauer bei der Stange zu halten. Der Plot ist umfangreich und bietet allerlei Platz für interessante Nebenstränge. Das gebotene Action-Feuerwerk ist vom feinsten. Als kleine Beschäftigung bei einer zweiten Sichtung könnte man beginnen zu zählen, wie viele hunderte Schüsse an Solomon und Danny im Verlauf des Films vorbeizischen. Hinzu kommen die im steilen Kontrast zu den dargestellten kriegerischen Auseinandersetzungen stehenden intensiven Aufnahmen des grünen Dschungels. Dazu ein Score, der unter die Haut geht. Das wichtigste aber ist die Eindringlichkeit, mit der die Haupthandlung erzählt wird. Man fiebert mit Djimon Hounsou und dessen verzweifeltem Kampf gegen schier unbesiegbare Gegner. Zu Beginn des Films sieht man wie Politiker über die Zustände und die Auseinandersetzungen in Afrika diskutieren, am Schluss machen sie es immer noch. Sie haben Solomon Vandy nicht geholfen. Vielleicht wären angemessene Taten ein besserer Weg. Auch in der Wirklichkeit.

(8/10)

IMDb, OFDb

Dienstag, 22. Mai 2007

FIDO - James einmal anders

Achtung, Fido ist im Anmarsch. Er fristet sein Dasein als Butler, ist ziemlich langsam und motorisch benachteiligt. Außerdem hat er eine Vorliebe für eine ganz besondere Sorte Fleisch...

Jeder, der die britische Zombiekomödie Shaun of the Dead kennt, weiß ob des witzigen Finales in Shauns Gartenlaube. Er und sein bester Kumpel Ed spielen wieder Videospiele, so wie zu Beginn des Films, nur mit einer kleinen Änderung, die auf den Ereignissen zuvor beruht. Hier setzt im Grunde Fido, der demnächst in den US-Kinos anlaufende kanadische Horrorspaß von Regisseur Andrew Currie, an und spinnt die Abschlussidee von Shaun of the Dead weiter.

Zu verdanken hat die Menschheit die Möglichkeit der Domestizierung von Zombies ZomCon. Nachdem außerirdischer Staub auf die Erde geblasen wurde, was die unbedeutende Nebenerscheinung zu Folge hatte, dass die Toten begannen aufzustehen und die Umwelt in bester Zombiemanier unsicher machten, gelang es ZomCon, der Lage Herr zu werden. Jetzt kann jeder einen besitzen und ihn für sich und im Sinne der Allgemeinheit arbeiten lassen. Alles wunderbar also. Auch in Willard, einem amerikanischen Bilderbuchstädtchen in bester Pleasantville-Tradition, gehört der eigene Zombie mittlerweile zum guten Ton. Also schafft sich Familie Robinson mit Filius Timmy auch einen an, man will den anderen ja bloß in nichts nachstehen. Fido, gespielt von Billy Connolly, hinlänglich bekannt aus zahlreichen Nebenrollen in Filmen wie The Boondock Saints, Timeline und The Last Samurai, und der kleine Timmy geben von da an, ein tolles Gespann ab, doch als Fido die Fleischeslust überkommt und er der Nachbarin wortwörtlich an den Kragen geht, liegt es an Timmy seinen neu gewonnenen Freund zu beschützen.

Fido feierte auf dem Toronto Film Festival 2006 seine Premiere. Ein sehr positives Review zum dortigen Screening gibt es hier zu lesen. Eine weitere ausführliche Beschreibung und Kritik findet sich hier. Offizieller US-Start, nach einigen Festival-Showtimes, ist der 15. Juni, ein Deutschlandtermin steht noch nicht fest. Die ersten Screenshots zum Film machen schon mal Lust auf mehr. Und auch der Trailer verspricht einen Heidenspaß für ein breites Publikum, denn die US-Altersfreigabe PG13 lässt vermuten, dass es wohl nicht ganz so blutig wird und die Comedy-Aspekte sowie die Freundschaft zwischen Timmy und Fido im Vordergrund stehen werden. Klasse Poster übrigens.

Freitag, 11. Mai 2007

Zukunfts-Horror

In nächster Zeit kommen einige interessante Filme in die Kinos. Ich habe mich einmal durch die IMDb gewühlt und ein Teil dessen, was erwähnenswert erscheint, herausgepickt. Es handelt sich nur um eine kleine Auswahl, weitere Titel werden folgen. Mein Augenmerk habe ich hier auf die Genres Horror und Mystery gelegt. Dabei habe ich auch nur die Streifen aufgeführt, für die schon Teaser oder Trailer zur Verfügung stehen. Natürlich kann auch der ein oder andere Rohrkrepierer dabei sein. Das sehen wir dann spätestens, wenn die Movies in die deutschen Kinos kommen bzw. auf DVD erhältlich sein werden. Die Aufzählung erfolgt alphabetisch.

1408
Inhalt
Website
Regie: Mikael Håfström
Geplanter Start in D: 25.10.07





28 Weeks Later...
Inhalt
Website
Regie: Juan Carlos Fresnadillo
Geplanter Start in D: 19.07.07





Bug
Inhalt
Website
Regie: William Friedkin
Geplanter Start in D: nicht bekannt





Resident Evil: Extinction
Inhalt
Website
Regie: Russell Mulcahy
Geplanter Start in D: 27.09.07





Rise: Blood Hunter
Inhalt
Website
Regie: Sebastian Gutierrez
Geplanter Start in D: nicht bekannt





The Signal
Inhalt
Website
Regie: David Bruckner/Dan Bush
Geplanter Start in D: nicht bekannt





Skinwalkers
Inhalt
Website
Regie: James Isaac
Geplanter Start in D: erscheint am 16.08.07 auf DVD






The Tripper
Inhalt
Website
Regie: David Arquette
Geplanter Start in D: erscheint am 16.07.07. zunächst als Leih-DVD





Wind Chill
Inhalt
Website
Regie: Gregory Jacobs
Geplanter Start in D: nicht bekannt





PRISON ON FIRE - Hong Kongs Shawshank Redemption?

Ringo Lams Gefängnisfilm von 1987 und Frank Darabonts Variante des Themas von 1994 haben einiges gemeinsam und sind schlussendlich doch so verschieden. Zweiterer ist und bleibt unübertroffen in seinem Genre. Ein Meisterwerk der Filmgeschichte, ganz klar. Hochdramatisch, sich Zeit nehmend für die Zeichnung der Charaktere und ihre Entwicklung über Jahre hinweg durch immer wieder neue Gegebenheiten und Einflüsse, ergreifend von der ersten bis zur letzten Minute, erschütternd und einfach nur schön zugleich. Gaam yuk fung wan, so der Originaltitel des Films aus Hong Kong, setzt da deutlich mehr auf Action.

Zur Story: Lo Ka Yiu (Tony Leung Ka Fai) muss wegen fahrlässiger Tötung für drei Jahre ins Gefängnis. Eigentlich wollte er nur seinen Vater verteidigen, dessen Geschäft ausgeraubt wurde, verursacht dabei aber einen folgenschweren Unfall. Für den Zuschauer bleibt Lo Ka Yiu ein Unschuldiger, eine Parallele also zu Andy Dufresne in Die Verurteilten. Beide sind zudem intelligenter als die meisten Knastinsassen und damit von vornherein Außenseiter. Beide müssen konsequenter Weise zahlreiche Peinigungen, Übergriffe und Bloßstellungen seitens der Gefängnisangestellten und Sträflinge überstehen. Während Dufresne aber daraus lernt, sich in gewisser Weise anpasst und Respekt verschafft, ist das bei Lo Ka Yiu bis zum Schluss nicht der Fall. Es ist zum Haare raufen, wenn er wieder mal die Klappe aufmacht, weil er meint, etwas sagen zu müssen und der Zuschauer schon vorher weiß, dass es entweder nichts bringt oder es wieder eine Tracht Prügel setzt. Ansonsten ist der naive Charakter, der stets an Wahrheit und Gerechtigkeit glaubt, gut gespielt. Die Tragik, die darin liegt, dass für eben diese Wahrheit und Gerechtigkeit im Gefängnis kein Platz ist. Dass Lo Ka Yiu dies immer am eigenen Leib zu spüren bekommt, verleiht dem Streifen bei allen Kampfeinlagen eine dramatische Note.

Red war der beste Kumpel von Andy in seiner Zeit in Shawshank. Es dauerte zwar eine Weile, bis sie sich anfreundeten, aber dann waren sie unzertrennlich. So ist es auch bei Prison on Fire. Hier heißt dieser Charakter Ching (Chow Yun Fat), und auch hier kommt ihm die Aufgabe zu, den Helden des Films an das Gefängnisleben zu gewöhnen und ihm dabei zur Seite zu stehen. Ching gibt den Clown, singt unentwegt, macht weise und lustige Sprüche und scheint ein absoluter Gutmensch zu sein, obwohl er tatsächlich zurecht einsitzt. Sehenswert ist vor allem sein emotionaler Ausbruch zum Schluss hin. Das ist ganz stark gespielt und zeigt sein anderes Ich, jenes, dass ihm seine Verurteilung einbrachte.

Einen kleinen Wermutstropfen gibt es noch zu erwähnen. Dieser ist nicht typisch für asiatische Filme per se, kommt aber dennoch häufig vor. Es handelt sich um einen gewissen Grad an unfreiwilliger Komik, der sich hier und da einschleicht und nicht selten am vereinzelt auftretenden Overacting der Schauspieler liegt. Eine Szene habe ich im Kopf, die aber schlichtweg aufgrund der filmischen Darstellung für einen Lacher gut ist, obwohl in diesem Moment eigentlich alles todernst ist. Auf dem Gefängnishof kommt es zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Gangs, in die nach einer Weile unzählige Häftlinge involviert sind. Die anrückende Wachmannschaft greift aber nicht sofort ein und versucht mit allen Mitteln, die Streithähne auseinander zu halten, sie kommt erst einmal wie bei einer Militärparade mit kurzen Schritten angedackelt und ruft dabei im Einklang unentwegt „Eins, zwo, eins, zwo...“ vor sich hin. Na ja, vielleicht ist das auch Geschmackssache. Ich habe jedenfalls die Augen verdreht und konnte mir ein Kichern nicht verkneifen.

Insgesamt macht Ringo Lam einen soliden Job. Es gibt gelungene Kameraeinstellungen, zwei eigentlich sympathische Hauptfiguren, denen man fest die Daumen drückt, ihren Aufenthalt heil zu überstehen, fiese Aufpasser, insbesondere den Hauptwächter Hung (Roy Cheung), der sowas von unsympathisch und hinterhältig ist, brutale Zellengenossen, die nur auf ihren Vorteil und ihre Reputation aus sind und eine Story, die überzeugen kann. Der Vergleich mit Die Verurteilten ist eigentlich gemein und nicht zulässig, denn bis auf die oben erwähnten Übereinstimmungen (Prison on Fire ist der erste der beiden Filme), finden sich Gemeinsamkeiten nur darin, dass sie in Gefängnissen spielen. Ansonsten richtet Lam den Fokus auf das alltägliche Leben hinter Gittern, den immer wieder aufzunehmenden Kampf ums Überleben, während bei Darabont die Charakterentwicklung im Vordergrund steht. Die Verurteilten ist in erster Linie ein Drama, ein ziemlich langes sogar, aber bei einer lebenslänglichen Haftstrafe gibt es viel, über zwei Stunden im Endeffekt, zu berichten. Lo Ka Yiu muss „nur“ drei Jahre absitzen, da reichen auch knapp 90 Minuten, in denen aber auf die Hauptfiguren, ihren Kampf in und auch mit ihrem Umfeld außerhalb der Gefängnismauern ausführlich eingegangen wird. Teil 2 liegt schon parat und wird demnächst angesehen.

(6/10)

IMDb, OFDb

SPIDER-MAN 3 - Rot gegen Schwarz

Spider-Man 3 ist ein zweischneidiges Schwert. Da gibt es Peinliches, 100 Mal Gesehenes, Langweiliges, und es gibt Abgefahrenes, erfrischende Ideen und Spannendes. Zur Story muss nicht viel gesagt werden. Tiefschürfendes gibt es eigentlich nicht zu berichten. Action, Action und nochmal Action stehen im Vordergrund, garniert mit einer abwechslungsreichen, wenn auch leicht seifenoperartigen Prise Gefühl. Spider-Man sieht sich diesmal zwei, respektive drei, Kontrahenten gegenüber und sorgt in Manhatten einmal mehr für Sicherheit auf den Straßen und jubelndes Volk; zwischen ihm und Mary Jane gibt es im Verlauf Höhen und Tiefen, die bewältigt werden wollen; Handlungsstränge aus den ersten beiden Teilen wie die Aufklärung des Todes von Onkel Ben und die Rachsucht Harrys, Sohn des „Grünen Kobolds“, gegen Peter, werden aufgegriffen. Insgesamt ist das ein bisschen zuviel des Guten und überfrachtet den Streifen.

So, jetzt zu den Schwächen und Stärken, die ich einfach nacheinander aufzähle. Zunächst die Schwächen: Spider-Man lebt von Special Effects. Actionreiche Einlagen sind das A und O des Films. Leider tut’s anscheinend nicht gut, wenn das Budget unerschöpflich ist und sich einige des Filmteams in technischen und digitalen Ergüssen verlieren. Auffallend ist das vor allem zu Beginn: Spider-Man wird in eine kleinere Auseinandersetzung verwickelt und von seinem Moped geprügelt. Dies artet in ein wüstes und selbst für eine Comic-Verfilmung absolut übertriebenes Hin und Her am Himmel und zwischen den Hochhäusern New Yorks aus, natürlich alles digital umgesetzt. Dabei verliert der Zuschauer leicht die Orientierung und gewinnt die Einsicht, dass weniger manchmal mehr ist. Da kann man eigentlich direkt einen Animationsfilm gucken. Technisch sind die Effekte jedoch, wie sollte man es auch anders erwarten, über jeden Zweifel erhaben. Glücklicherweise legt sich der Effektwahn im Verlauf und präsentiert sich dann mehr als angemessen. Beim Schluss werden dann nochmal schwerste Geschütze aufgefahren, wobei hier der Ideenreichtum dafür sorgt, dass es einfach nur Spaß macht. Mit einer Ausnahme: Spider-Man kommt in höchster Not an und macht eine Zwischenlandung vor einer überdimensionalen und bildschirmfüllenden USA-Flagge, die stolz im Winde weht: Von komplexbeladenen Filmemachern für komplexbeladene Zuschauer.

Nächster Punkt: Während Peter Parker in den vorangegangenen Teilen immer an sich selbst zweifelte, ist er über dieses Stadium mittlerweile hinaus. Diesmal geht er zunächst ganz in seiner Rolle als Superheld auf, verwandelt sich dann aber in eine Variante des Typus, die auch vor Gewalt nicht mehr zurückschreckt. Interessant eigentlich. Wenn Tobey Maguire dann aber tänzelnd a là Michael Jackson zu „Thriller-Zeiten“ mit Pony in die Stirn baumelnd und mit geschminkten Augenrändern durch die Straßen der Metropole wandelt, die Frauen sich reihenweise nach ihm umdrehen und er zum Höhepunkt in einer Jazz-Bar den Standard-Tänzer gibt, dann ist das nur noch zum Weggucken. Vielleicht sollte das als komödiantische Einlage wirken, beißt sich aber selbst in den Schwanz und wäre besser dem Schnitt zum Opfer gefallen. Das war Slapstick pur, absolut unpassend.

Handlungsmäßig gibt es auch einige Fehlgriffe, die aber jeder anders sehen wird. (Achtung, kleine SPOILER!) Als ein außer Rand und Band geratener Kran Hochhäuser aufschlitzt, taucht ausgerechnet der Polizeichef (James Cromwell) am Tatort auf, der ja keine anderen Aufgaben in der Stadt hat, und erfährt dort und muss mit ansehen, dass gerade niemand anderes als seine eigene Tochter, die bei einem Fotoshooting in eben demselben Gebäude auf eben derselben Etage, die der Kran erwischt, arbeitete, nun kurz davor steht, in die Tiefe zu stürzen. Flint Marko an anderer Stelle und noch ohne „Sand-Zellen“ im Blut gelangt auf der Flucht vor der Polizei, die ihn nach seinem Ausbruch aus dem Gefängis verfolgt, in einem Sperrgebiet in ein tiefes Loch, in dem ausgerechnet exakt nachdem er hineingefallen ist, der Test eines Labors durchgeführt wird, welcher ihn in den Sandmann verwandelt. Von diesen „Zufällen“ gibt’s noch einige. Wahrscheinlich gehört das aber irgendwie dazu, ist schließlich eine Comic-Verfilmung. Es ist nicht störend, es fällt nur auf.

Jetzt zum Positiven. Und zur Beruhigung: Darüber gibt es mindestens genauso viel zu berichten. Zunächst einige Worte zu den Schauspielern. Maguire, Dunst und Co. Sind durch die Bank auf der Höhe und souverän. Als Bösewicht liefert Thomas Hayden Church als wortkarger und schroffer Flint Marko eine starke Leistung ab. Seine Auftritte sorgen für Abwechslung. Auch Topher Grace, der nicht zuletzt wegen seiner äußerlichen Ähnlichkeit zu Tobey Maguire als Gegenspieler Spider-Mans engagiert wurde, spielt besonders als hasserfüllter Venom einen tollen Part. Die heimlichen Stars des Blockbusters sind aber in den Nebenrollen zu finden. Stark wie immer ist J.K. Simmons als Chef des „Daily Bugle“, der mit seinen Wutausbrüchen und den anfänglichen Versuchen, diese in Zaum zu halten, für gute Unterhaltung sorgt. Noch mehr Lacher streut Bruce Campbell als Maître eines französischen Edelrestaurants ein. Alleine hierfür lohnt es sich, den Film ein zweites Mal zu schauen. Klasse sind auch Peter Parkers Vermieter Mr. Ditkovitch (Elya Baskin) und vor allem dessen Tochter Ursula (Mageina Tovah), die ständig unter Strom ist, wenn Peter auftaucht.

Die Special Effects haben ihren Platz auch in zahlreichen überaus sehenswerten Teilen des Films. Während die Darstellung des Sandmanns vor allem am Schluss Geschmackssache ist, ist die Umsetzung der Figur während des Films und in den Auseinandersetzungen mit Spider-Man ganz großes Tennis. Wenn sich unser Spinnenfreund und der muskelbepackte Marko in der U-Bahn gegenüber stehen, dann kann sich das sehen lassen. Ich will nicht zuviel verraten, aber der halbe Sandkopf, das Abfallen sämtlicher Gliedmaßen und das schon im Trailer zu bewundernde Durch-Flints-Bauch-Hämmern können sich sehen lassen. Auch das schwarze Klebzeug aus dem All und der Angriff auf die Körper Peter Parkers und Eddie Brocks (Topher Grace) sind sehr überzeugend und ein gutes Stück gruselig. Venoms computeranimierte Fratze und das Zum-Vorschein-Kommen seines wahren Gesichts stehen dem in nichts nach.

Insgesamt bekommt man eine gelungene Comic-Verfilmung und einen weiteren lohnenswerten Spider-Man-Teil zu sehen. Die negativen Aspekte sind schade, aber sorgen nicht dafür, dass der Film bedeutsam darunter leidet. Denn eines steht im Vordergrund: Spaß. Der Film will unterhalten, mehr nicht. Bei den Wertungen auf IMDb.com verliert der dritte Teil deutlich gegenüber den ersten beiden Teilen. Für mich unverständlich, denn Spider-Man 3 ist keineswegs schlechter als die Vorgänger. An den Kinokassen weltweit war und ist der Streifen jedenfalls ein wahnsinniger Erfolg. Kein Wunder also, dass Spider-Man 4, 5 und 6 laut Sonys Spitze durchaus möglich sind. Der Stoff wird den Machern sicherlich nicht ausgehen.

(6,5/10)

IMDb, OFDb

Donnerstag, 10. Mai 2007

Meine Top15 im Bereich Comic-Verfilmungen

In Anbetracht dessen, dass mit Spider-Man 3 gerade wieder eine Comic-Adaption in die Kinos gekommen ist, habe ich mir einmal Gedanken über eine Top15 zu diesen Verfilmungen gemacht. Denn wenn man sich das mal genau überlegt, ist in den letzten Jahren der Filmmarkt von Comic-Umsetzungen auf die Leinwand geradezu überschwemmt worden. Leider ist es in den meisten Fällen so, dass die Filme den Vorlagen nicht das Wasser reichen können, löbliche Ausnahmen bestätigen da nur die Regel. In meine Liste habe ich deshalb auch Movies aufgenommen, die auf Graphic Novels basieren. Denn da kann man schon mal die eine oder andere Perle ausfindig machen, was wohl auch daran liegt, dass sich Filmemacher hier meistens nicht so sehr dem enormen Druck von Comic-Serien und deren Fans beugen und diesem gerecht werden müssen. Wenn Batman als schwarzer Rächer die Nacht befriedigt, will jeder einen anderen Bösewicht als Kontrahenten sehen und einen bestimmten Teil der epischen Story rund um Fledermäuse, enge Latexanzüge und giftige Pinguine im Endprodukt wiederfinden. Bei Spider-Man und Konsorten ist das der gleiche Fall. Grundsätzlich haben es Comic-Serien mit langer Tradition also am schwersten. Wenn man dann auch noch gezwungen wird, mit Special-Effects um sich zu schmeißen, was vor allem bei Superhelden-Flicks unumgänglich ist, geht nicht selten die Story flöten, oder zumindest rückt sie in eine dunkle Nische der Nichtbeachtung. Beispiele hierfür wie auch für „Two-Thumbs-Up“-Vertreter finden sich in meiner persönlichen Comic-Top15. Außen vor gelassen habe ich die Filme Elektra und Fantastic Four, die ich beide nicht gesehen habe (was wohl nicht weiter tragisch ist in Anbetracht zahlreicher Reviews). Alle anderen Veröffentlichungen sind entweder an mir vorbeigerauscht oder ich habe sie einfach nur vergessen.

15. Hulk
Drei fünfzehnte Plätze werden vergeben, weil alle drei Streifen beinahe filmische Verbrechen sind. Hulk enttäuscht auf ganzer Linie. Das Hauptproblem ist wohl der komplett digital erstellte grüne Mann. Da kommt leider im Gegensatz zu Lou Ferrignos Darstellung des Stinkstiefels in den 80ern absolut kein Hulk-Feeling auf. Es mag wohl nah am Comic sein, dass Hulk so groß wie eine Eiche ist und durch die Gegend hüpft wie ein Flummi auf Ecstasy, doch das wirkt im Film nur albern und so sehr überzogen, dass es nicht einmal mehr lustig ist.

15. Spawn
Die Verfilmung des absoluten Anti-Helden in persona ist schon fast traurig. Die Comics aus der Feder von Todd McFarlane bieten eigentlich ein unerschöpfliches Reservoir an spannenden Ideen, schrägen Figuren und spektakulären Action-Einlagen, die förmlich nach einer filmischen Umsetzung schreien. Der Film reicht den Zeichnungen nicht ansatzweise das Wasser und verkommt dabei zum B-Movie. Und das auch nur mit Glück.

15. Catwoman
Von Michelle Pfeiffers Szenen als Katzenfrau in Tim Burtons Batman Returns hat man deutlich mehr als von Halle Berry in diesem öden Spin-Off von 2004. Das Geheimnisvolle rund um den Charakter geht vollkommen flöten. Leider ist die Figur auch ziemlich anders angelegt.

14. Die Liga der Außergewöhnlichen Gentlemen
Belangloser Actionfilm mit uninteressanten Charakteren, platter Story und gelangweilten Schauspielern. Nichts halbes und nichts ganzes. Einfach nichtssagend. Da wollte wohl jemand im Fahrwasser des Comic-Booms ein Stückchen mitschwimmen.

13. Daredevil
Ähnlich wie bei der Liga fehlt hier der entsprechende Tiefgang, um den Zuschauer bei Laune zu halten. Als Director’s Cut auf DVD wiederveröffentlicht mit knapp 30 Minuten zusätzlichem Filmmaterial. Ob’s geholfen hat, keine Ahnung. Ich habe auf die Sichtung verzichtet.

12. Superman Returns
Es ist schon eine Krux mit Superhelden-Verfilmung. Die Figuren besitzen besondere, zumeist abgehobene Fähigkeiten, die wie im bunten Heftchen auch auf der Leinwand angemessen umgesetzt werden wollen. Rein technisch gelingt das hier formidabel. Leider ist der Film damit überfrachtet, was auf Kosten der Story geht. Dennoch unterhaltsames Popcorn-Kino.

11. Spider-Man (all incl.)
Die Spider-Man-Reihe legt im Unterschied zu vielen anderen Superhelden-Verfilmungen viel Wert auf die psychologische Darstellung der Charaktere, vor allem Peter Parkers. Da geht es um die Auseinandersetzung mit seinen erworbenen Spinnenfähigkeiten und die daraus resultierende gezwungene Unnahbarkeit zu seinen Liebsten. Gepaart mit eindrucksvoller Bombast-Action gelingt hier ziemlich gut ein Spagat zwischen Genres. So wie es aussieht, steht weiteren Teilen nichts im Wege. Nur sollte Acht gegeben werden, Wiederholungen zu vermeiden. Das andauernde durch die Häuserschluchten New Yorks Rumgehangele geht nach einigen Malen ziemlich auf den Zeiger. In Bezug auf Fieslinge und Gegenspieler der Großstadtspinne ist aber noch einiges möglich.

10. V wie Vendetta
Eine spannende Geschichte über eine düstere Vision eines alternativen Englands sorgt für Nervenkitzel. Die Comic-Herkunft ist unübersehbar und wird mit tollen Kostümen und Ausstattungen effektiv umgesetzt. Auch das Schwanken zwischen Gut und Böse und die Frage, was richtig ist und was nicht, um seine Ziele zu erreichen, ist fesselnd. Und aktuell.

09. Constantine
Constantine raucht, hat Krebs und besitzt auch sonst nicht viele Züge, die einen strahlenden Helden ausmachen. Dennoch bekommt er es mit Auswüchsen der Unterwelt zu tun und muss die Welt vor Dämonen und anderen bösartigen Wesen retten. Tolle Special Effects und ebenso gute Schauspieler sorgen für Gänsehaut.

08. Blade (all incl.)
Wesley Snipes ist halb Mensch und halb Vampir, steht dabei glücklicherweise auf der Seite der Menschen im Kampf gegen die blutsaugenden Vollfassungen seiner Spezies, aber auch nur solange man sich gut um ihn kümmert oder er sich um sich selbst. Ähnlich wie bei The Punisher (siehe weiter unten) steht im Gegensatz zu überstylten Sets das Sterile im Vordergrund. Blade ist hart, blutig und gut.

07. Hellboy
Hellboy besitzt eine gesunde Mischung aus Fun und Action. So albern die Story um den Höllenmann mit seinen abgestoßenen Hörnern und der Vorliebe für Zigarren eigentlich ist, so gelungen wird sie umgesetzt und im Verlaufe des Streifens kein Gedanke mehr daran verloren. Der zweite Teil ist bereits in Mache.

06. The Punisher
Unverständlich für mich, dass dieser Film reviewtechnisch nirgends sonderlich gut wegkommt, dabei ist The Punisher ganz tolles Kino. Der Anfang ist etwas träge, zugegeben, Thomas Jane braucht eine Weile, um in Fahrt zu kommen. Dann aber geht die Lutzi ab. Seine Widersacher, damit meine ich vor allem den russischen Testosteron-Bullen und den Johnny-Cash-Verschnitt und weniger John Travolta als gemeingefährlichen Obermotz, sind immer für einen Lacher gut. The Punisher nimmt sich selbst nicht zu ernst und ist trotzdem hart und unangenehm, wenn’s sein muss. Dolph Lundgrens Vorgänger ist dagegen zum Abgewöhnen. Die Mischung stimmt und macht Lust auf mehr. Teil 2 ist bereits abgemachte Sache. Beim DVD-Kauf Obacht vor dem deutschen Schnittsalat.

05. X-Men (all incl.)
X-Men hat den Vorteil, dass die Story von verschiedenen Charakteren getragen wird. Wo Superman andauernd alleine durch die Lüfte fliegt und Spider-Man seine Spinnweben solo verschießt, sind die X-Men und Magnetos Gang ein Hort von unterschiedlichsten Einfällen. Und die sorgen nicht nur für Action nonstop, sondern auch für zwischenmenschlichen Tiefgang und Fragen über das eigene Mutanten-Dasein. Die gar nicht mal schlechte Story wird von den zahlreichen namhaften Schauspielern noch um ein gutes Stück verbessert. Hugh Jackman als Wolverine ist klasse. Der geplante Wolverine-Spin-Off kann eigentlich gar nicht in die Hose gehen. Patrick Stewart und Ian McKellen sind als Widersacher toll. Halle Berry und Famke Janssen sind Eye-Candy und taffe Mutanten zugleich.

04. Sin City
Frank Miller wehrte sich lange und sagte dann „Ja“ zu Robert Rodriguez' Vorschlag, wie er sein Baby auf die Filmrolle bringen wollte. Komplett am Green-Screen entstanden, sorgt die Schwarz-Weiß-Optik mit gelegentlichen Farbeinsätzen für eine ans Comic-Original heranreichende Umsetzung mit sowohl schrägen als auch bitterbösen Figuren in absurden Storys, die durchweg von namhaften Hollywood-Schauspielern gemimt werden.

03. 300
Frank Millers zweiter Streich folgt auf dem Fuße. 300 ähnelt Sin City in vielerlei Hinsicht, hauptsächlich aber darin, dass der Streifen fast komplett im Studio entstand. Die Comic-to-Movie-Umsetzung wurde hier beinahe in Reinform durchgezogen. Szenen des Comics wurden teilweise exakt nachgestellt. Die filmische Darstellung der Auseinandersetzung der Spartaner und der Perser an den Thermopylen ist vielfach gedreht worden, aber niemals zuvor auf diese Weise. Über 90 Minuten wird gekämpft, Blut vergossen, geschrien und gebrüllt. Dabei ist die Story Nebensache. Die audio-visuelle Umsetzung steht eindeutig im Vordergrund und sorgt dafür, anderthalb Stunden lang mit offenem Mund im Kinosessel zu hocken. Stichwort Kino: Dieser Film muss unbedingt auf der großen Leinwand gesehen werden. Soviel steht fest. Manche bezeichnen König Leonidas’ Kampf gegen die persische Übermacht als „Gewaltporno“, andere sehen ein Action-Feuerwerk der Sonderklasse. So wie ich. Übrigens: Die dritte Miller-Verfilmung ist bereits in Planung: Ronin.

02. A History of Violence
Ein kleiner Filmschatz meiner Meinung nach, und weit entfernt und allen üblichen Comic-Vorlagen. Hier ist nichts fantastisch, nichts übernatürlich, nichts abgefahren oder einfach unglaublich. Hier ist alles rüde und brutal, dreckig und dramatisch bis zum Schluss. David Cronenberg ist mit A History of Violence ein kleines Meisterwerk gelungen, das leider in nicht allzu vielen Kinos lief, nichtsdestotrotz jedoch zu den Highlights 2005 zählte.

01. Batman Begins
Christopher Nolan belebt Batman wieder. Auf die hevorragenden ersten beiden Teile (1989 und 1992) folgten mit Batman Forever (1995) ein grausiges Bonbon-Batman-Revival im Stile der 60er-Jahre TV-Serie und mit Batman & Robin (1997) die endgültige Kapitulation vor jeglichem guten Geschmack. Doch der „Dark Knight“ ist zurück und das besser denn je. Eine düstere Stimmung, gnadenlos gute Schauspieler angeführt von Christian Bale als Batman und Michael Caine als dessen Butler Alfred sowie eine gute Story sorgen für eine dringend benötigte Frischzellenkur. Meiner Meinung nach die beste Comic-Verfilmung bislang.

Mittwoch, 9. Mai 2007

SUNSHINE - Angriff auf die Sonne

Die Erde versinkt im Eischaos, denn die Sonne ist drauf und dran, ihren Geist aufzugeben. Vor sieben Jahren wurde deswegen das Raumschiff „Ikarus“ auf eine risikoreiche Mission geschickt, der Erde Wärme und Licht zurückzubringen. Dazu sollte sie den Stern ansteuern und in ihrer Nähe eine Bombe auf die Oberfläche jagen. Leider lief irgendwas schief, die Ikarus kam nie zurück. Deshalb liegt die letzte Hoffnung der Menschheit jetzt in der Besatzung der „Ikarus II“, die letztmalig den gleichen Versuch startet wie der Vorgänger. Das Team ist buntgewürfelt, so wie es meistens bei SciFi-Streifen der Fall ist. Da gibt es den stillen Physiker Capa (Cillian Murphy), den etwas sonderbaren Psychologen Searle (Cliff Curtis), den gutmütigen Captain Kaneda (Hiroyuki Sanada), das unbequeme Crewmitglied Mace (Chris Evans) und noch einige mehr. Jeder für sich hat mit seinen eigenen kleinen Problemen zu kämpfen und auch innerhalb der Gruppe ist die Anspannung spürbar.

Danny Boyles Streifen zeigt eindrucksvoll die Genre-Vielfalt des Regisseurs auf. Nach dem schrägen Drogenrausch Trainspotting und dem Survival-Horror-Flick 28 Days Later folgen nun Raumschiffe und Astronauten. Dabei lässt sich Boyle viel Zeit, seine Geschichte anlaufen zu lassen, obwohl man unmittelbar zu Beginn in den Orbit geschossen wird. Lange Einstellungen des Raumschiffes und der zumindest im All noch äußerst leuchtkräftigen Sonne, tolle Kameraaufnahmen, dazu der stimmungsvolle Score: das ist schon beeindruckend. So etwas wie Langeweile kommt dabei nicht auf, denn der Spannungsbogen steigt innerhalb der ersten Hälfte des Films stetig. Dazu braucht es nicht einmal rasante Action-Einlagen, denn wenn Capa und Kaneda nach draußen müssen, um am Schiff Reparaturen vorzunehmen, man im Kinosessel miterlebt, in welch schwere goldfarbenen Raumanzüge sich beide quetschen müssen und wie sie dabei schwitzen, schwer atmen und jede der langsamen Bewegungen für Anstrengungen sorgt, bleibt einem die Spucke weg. Nichts für Leute mit Platzangst, das steht schon mal fest.

Der zweite Teil des Streifens beginnt mit der Ankunft auf der ersten „Ikarus“. Tatsächlich hat man das Notruf-Signal des verloren geglaubten Raumschiffes aufgeschnappt und sich dazu entschlossen, mit zwei Bomben den Versuch zu starten, die Sonne zu aktivieren. Ab hier gesellen sich zum anfänglich subtilen Horror Sunshines einige explizite Einstellungen, die von einem nicht für möglich gehaltenen Grauen rühren. Der Film nimmt stark an Fahrt auf, dessen Tempo bis zum Schluss immer weiter erhöht wird und in einem bombastischen Endspurt mündet. Dabei sind Anleihen aus Paul W.S. Andersons Event Horizon unübersehbar und sorgen für ein wenig Missmut. Die schließlich Überhand nehmenden Einstellungen der tödlichen Gefahr sind verschwommen, verzerrt und verzogen. Man sieht alles und aber auch gleichzeitig nichts. Das Auge des Betrachters wird diffus und entstellt. Insgesamt ein wenig zuviel des Guten an gewollten Stilmitteln für meinen Geschmack.

Während zu Beginn noch alles auf eine bestimmte Art und Weise handfest war, mutiert Sunshine zum Schluss ins Gegenteil, was sich nicht als förderlich herausstellt, den Film aber dadurch glücklicherweise nicht zerstört. Dafür überwiegen die grundsätzlich tolle Story, obwohl ich mir nichts sicher bin, in wie weit hier die wissenschaftliche Realität zugrunde liegt, und ein spannendes Sujet. Man hat wirklich das Gefühl mit in der Schwerelosigkeit zu schweben und das All zu bereisen. Selbst wenn die Sonne in all ihrer Pracht gezeigt wird, ist man geneigt, die Hände vor die Augen zu halten, um nicht geblendet zu werden. Die Ausarbeitung der verschiedenen Charaktere ist gelungen, man fühlt und fiebert bei ihren Einsätzen in und am Raumschiff mit. Sunshine macht Spaß, sehr großen sogar. Auch wenn die Produktion nicht an Genre-Klassiker wie Alien heranreicht, kommt er, was Ausstattung, Design und Tiefe der Geschichte betrifft, doch schon recht nahe daran heran. Gurken wie Mission to Mars oder Red Planet lässt er weit hinter sich und zeigt ihnen nur eine Spur von Sternenstaub.

(7,5/10)

IMDb, OFDb